Mord im Gurkenbeet - Страница 2


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Ich brach in Tränen aus, sprang auf und rannte aus dem Esszimmer. Erst am nächsten Morgen beim Frühstück kam mir das Gift in den Sinn.

Wie alle großartigen Pläne war auch dieser ganz einfach.

Buckshaw war seit undenklichen Zeiten das Zuhause unserer Familie, der de Luces. Das jetzige Gebäude im georgianischen Stil wurde errichtet, nachdem das ursprüngliche elisabethanische Haus von den Dorfbewohnern, die den de Luces unterstellten, mit den Oraniern zu sympathisieren, bis auf die Grundmauern niedergebrannt worden war. Dass wir vierhundert Jahre lang glühende Katholiken gewesen waren und sich daran auch nichts geändert hatte, konnte die aufgebrachten Bürger von Bishop’s Lacey nicht besänftigen. Das »Alte Haus«, wie es damals hieß, war in Flammen aufgegangen, und inzwischen

Zwei spätere Familienmitglieder, Antony und William de Luce, die über den Krimkrieg in Streit geraten waren, hatten die Anlage verschandelt, indem jeder nachträglich einen Flügel hatte anbauen lassen: William den Ostflügel, Antony den Westflügel.

Jeder hatte sich in sein höchsteigenes Herrschaftsgebiet zurückgezogen, und jeder hatte dem anderen untersagt, auch nur einen Fuß über den schwarzen Strich zu setzen, den sie quer durch die vordere Eingangshalle, das Vestibül und das Wasserklosett des Butlers hinter der Treppe gezogen hatten. Die beiden gelben, pustelhaft viktorianischen Ziegelanbauten, zeigten wie die steinernen Schwingen eines Friedhofsengels nach hinten, was den hohen Fenstern und Fensterläden der georgianischen Fassade in meinen Augen das affektierte, leicht verdutzte Aussehen einer alten Jungfer mit schmerzhaft straffem Haarknoten verlieh.

Ein späterer de Luce - Tarquin, auch »Tar« genannt - hinterließ nach einem spektakulären Nervenzusammenbruch das, was einmal eine brillante Chemikerkarriere zu werden versprach, als Scherbenhaufen. Er wurde in dem Sommer, in dem Königin Viktoria ihr fünfundzwanzigjähriges Thronjubiläum beging, von der Universität Oxford verwiesen.

Tars nachsichtiger Vater, stets besorgt um die schwache Gesundheit seines Sohnes, hatte weder Kosten noch Mühen gescheut, ihm im obersten Stock des Ostflügels ein richtiges Labor einzurichten: komplett mit Glasbehältern, Mikroskopen und einem Spektroskop aus Deutschland, Messingwaagen aus Luzern sowie einer verwirrend geformten, mundgeblasenen deutschen Geißlerröhre, an der Tar elektrische Spulen befestigen konnte, um zu untersuchen, wie verschiedene Gase fluoreszieren.

Auf einem Schreibtisch vor dem Fenster stand ein Leitz-Mikroskop,

Es gab sogar ein Skelett auf einem Rollständer, das Tar im zarten Alter von zwölf Jahren von dem berühmten Naturforscher Frank Buckland geschenkt bekommen hatte, dessen Vater einst das mumifizierte Herz von König Ludwig XIV. verzehrt hatte.

Drei Wände waren mit deckenhohen Schränken und Vitrinen versehen, von denen wiederum zwei mit Chemikalien in gläsernen Apothekengefäßen vollgestellt waren, ein jedes mit Tar de Luces akribischer Handschrift beschriftet, denn Tar hatte dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen und sie alle überlebt. Er war 1928 im Alter von sechzig Jahren inmitten seines chemischen Königreichs gestorben, wo er eines Morgens von seinem Verwalter gefunden wurde, am Schreibtisch sitzend und mit dem gebrochenen Auge durch sein geliebtes Leitz-Mikroskop spähend. Man munkelte, er habe sich mit dem Zerfall erster Ordnung von Stickstoffpentoxid beschäftigt. Wenn das stimmt, handelt es sich um die erste belegte Forschung zu einer Reaktion, die letztendlich zur Entwicklung der Atombombe führte.

Onkel Tars Schatzkammer wurde verschlossen und verharrte in staubiger ungestörter Stille, bis das, was Vater meine »skurrile Begabung« nannte, zutage trat und ich so weit war, das Labor für mich zu beanspruchen.

Mich überläuft immer noch jedes Mal ein freudiger Schauer, wenn ich an den regnerischen Herbsttag denke, an dem die Chemie in mein Leben trat.

Ich war beim Bergsteigerspielen in der Bibliothek an den Regalen hochgeklettert, als ich mit dem Fuß abrutschte und ein dickes Buch zu Boden polterte. Als ich es aufhob und die zerknitterten Seiten glatt streichen wollte, sah ich, dass es nicht nur Worte, sondern auch lauter Abbildungen enthielt. Zum Beispiel gossen körperlose Hände Flüssigkeiten in eigenartig geformte Glasbehälter, die außerirdischen Musikinstrumenten glichen.

Der Titel des Buches lautete Grundzüge der Chemie, und ich entnahm dem Werk im Handumdrehen, dass das Wort Jod von »violett« und das Wort »Brom« vom griechischen Wort für »Gestank« abgeleitet ist. Hochspannend! Ich schob den dicken roten Wälzer unter meinen Pullover und nahm ihn mit nach oben in mein Zimmer, und erst viel später entdeckte ich, dass jemand H. de Luce auf das Vorsatzblatt geschrieben hatte. Das Buch hatte Harriet gehört.

Schon bald vertiefte ich mich in jeder freien Minute in meine neue Errungenschaft. Abends konnte ich es manchmal kaum erwarten, endlich ins Bett gehen zu dürfen. Harriets Buch war inzwischen mein heimlicher Freund.

Es führte sämtliche Alkalimetalle eingehend auf: Metalle mit wunderlichen Namen wie Lithium und Rubidium, außerdem Erdalkalien wie Strontium, Barium und Radium. Als ich las, dass eine Frau, nämlich Madame Curie, das Radium entdeckt hatte, stieß ich einen Freudenschrei aus.

Und dann die Giftgase: Phosphin, Arsin (von dem eine einzige Blase tödlich sein kann), Stickstoffpentoxid, Schwefelwasserstoff … die Liste war schier endlos. Als ich entdeckte, dass mein Buch auch noch ausführliche Anleitungen für die Herstellung dieser Stoffe enthielt, war ich im siebten Himmel.

Sobald ich mir beigebracht hatte, wie man chemische Gleichungen liest (etwa K4FeC6N6 + 2K = 6KC N + Fe, womit die Reaktion beschrieben wird, die auftritt, wenn man das gelbe Prussiat Pottasche oder auch Kalziumkarbonat erhitzt, um Kaliumzyanid

Am spannendsten fand ich aber, dass alles (die ganze Schöpfung - ohne Ausnahme!) von unsichtbaren chemischen Verbindungen zusammengehalten wurde. Und ich fand es aus unerfindlichen Gründen ausgesprochen tröstlich, dass es irgendwo - selbst wenn es unsereiner nicht sehen kann - etwas unerschütterlich Dauerhaftes gibt.

Anfangs kam ich nicht gleich darauf, den offenkundigen Zusammenhang zu bemerken - nämlich den zwischen dem Buch und dem verlassenen Labor; aber als der Groschen endlich fiel, erwachte mein Leben erst zum richtigen Leben, falls irgendwer versteht, wie ich das meine.

Hier, in Onkel Tars Labor, standen ordentlich aufgereiht sämtliche Chemiebücher, die er einst liebevoll zusammengetragen hatte, und schon bald fand ich heraus, dass die meisten gar nicht so sehr über meinen Verstand gingen.

Es folgten einfache Experimente, bei denen ich mich darin übte, die Anweisungen Wort für Wort zu befolgen. Was nicht heißen soll, dass es nicht gelegentlich zu beträchtlichem Gestank und etlichen Explosionen gekommen wäre, aber darüber wollen wir lieber den Mantel des Schweigens breiten.

Meine Notizbücher wurden immer dicker. Sobald sich mir die Geheimnisse der organischen Chemie offenbart hatten, traute ich mir immer kniffligere Experimente zu und erfreute mich an meinem neuen Wissen darüber, was einem die Natur so alles großzügig zur Verfügung stellt.

Meine besondere Vorliebe galt den Giften.

Ich hieb mit einem Bambusspazierstock, den ich aus dem Elefantenfuß-Schirmständer in der vorderen Eingangshalle gemopst hatte, auf das Unkraut ein. Hier hinten im Küchengarten hatten die hohen roten Ziegelmauern die wärmende

Ich bahnte mir einen Weg durch das wuchernde, letztes Jahr nicht mehr gemähte Gras, bis ich am Fuß der Mauer das Gesuchte entdeckte: ein Büschel hellrot schimmernder Pflanzen, deren dreiblättrige Stauden sich von den anderen Kletterpflanzen abhoben. Ich zog die baumwollenen Gartenhandschuhe an, die ich mir in den Gürtel gesteckt hatte, und machte mich, begleitet von einer schallend gepfiffenen Interpretation von Bibbidi-Bobbidi-Buu, frisch ans Werk.

Später, als ich glücklich wieder in meinem Sanctum Sanctorum, meinem Allerheiligsten, saß - auf diesen Ausdruck war ich in einer Biografie Thomas Jeffersons gestoßen und hatte ihn mir sogleich angeeignet -, stopfte ich die bunten Blätter in einen Destillierkolben und achtete darauf, dass ich die Handschuhe erst auszog, nachdem ich alles bis ganz unten auf den Boden gedrückt hatte. Nun kam der Teil, der mir am meisten Spaß machte.

Ich stöpselte den Destillierkolben zu, verband ihn auf einer Seite mit einem Glaskolben, in dem bereits Wasser kochte, und auf der anderen mit einer gewundenen gläsernen Kühlschlange, die in ein leeres Reagenzglas mündete. Das Wasser brodelte wie verrückt, und ich sah zu, wie sich der Dampf seinen Weg in den Kolben mit den Blättern bahnte. Die fingen schon an, weich zu werden und sich aufzurollen, während der heiße Dampf die winzigen Taschen zwischen den Zellen öffnete und die Essenz der Pflanze freisetzte.

So hatten schon die alten Alchimisten ihre Kunst praktiziert: Feuer und Dampf, Dampf und Feuer. Destillation.

Einfach herrlich.

Destillation. Ich sprach es laut vor mich hin: »Des-til-lation!«

Ehrfürchtig sah ich zu, wie sich der Dampf in der Glasspirale abkühlte und kondensierte, rieb mir verzückt die Hände, Plopp! in das Auffanggefäß fiel.

Als das ganze Wasser verdampft war, drehte ich den Bunsenbrenner aus, stützte das Kinn in die Hände und beobachtete gespannt, wie die Flüssigkeit in dem Reagenzglas zwei Schichten bildete. Unten auf dem Boden sah man das klare destillierte Wasser, obendrauf schwamm eine gelbliche Flüssigkeit, der Pflanzensaft. Er wurde Urushiol genannt, eine Substanz, die unter anderem bei der Lackherstellung verwendet wird.

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